Waffen, Kleinwaffen, – Flucht, Hunger und Tod
I.
Neben den Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft, die Verbreitung von Hoch-Technologie zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen wirksam zu bekämpfen, gerät eine besorgniserregende Zahl von Kleinwaffen zunehmend in die öffentliche Wahrnehmung. Dient die Bekämpfung der Massenvernichtungswaffen eher dem Sicherheitsbedürfnis der Industriestaaten, die terroristische Angriffe befürchten, perpetuieren die Kleinwaffen regionale Konflikte in Krisengebieten, die eine gewaltige Zahl von Toten zur Folge haben. Das desaströse Engagement amerikanischer und europäischer Staaten in vielen Ländern hatte gezeigt, dass die Unübersehbarkeit der Konfliktkonstellationen und die Vielzahl der Machtzentren, die sich auf eine leichte Bewaffnung ihrer Klientel stützt, eine Entwaffnung und dauerhafte Befriedung auch bei militärischer Überlegenheit mit spektakulären Kurzeinsätzen nicht zu erreichen ist. Daher muss eine nachhaltige Politik bereits bei der Produktion, Verbreitung und Kontrolle von Kleinwaffen ansetzen. Ziel einer konfliktvermeidenden Außenpolitik ist nicht die völlige Entwaffnung ganzer Regionen, sondern die Bekämpfung der massenweisen Verbreitung von Kleinwaffen, die gegenwärtig zahlreichen Milizen erlauben, eine eigene Machtpolitik auf regionaler Ebene zu betreiben.
Die gebotene Nachhaltigkeit einer politischen Strategie zur Befriedung von Konfliktparteien ergibt sich aus dem Ansetzen am Zulauf der Waffen in die entsprechenden Länder, ihrer unkontrollierten Zirkulation und der gleichzeitigen Bekämpfung der sozialen Ursachen der Konflikte.
II.
Weltweit über 500 Mio. Kleinwaffen, von denen sich 50 % in Privatbesitz befinden und etwa 100 Mio. jenseits staatlicher Kontrolle zirkulieren, stellen ein gewaltiges Reservoir dar, das beschränkt werden muss, will man der Gewaltspirale in Konfliktländern entgegentreten. Die Produktion von Kleinwaffen in Europa, die einen Großteil der Nachfrage befriedigt einzudämmen, fällt in die Verantwortung der europäischen Staatengemeinschaft. Damit es aber nicht nur zu einer Marktverschiebung zugunsten anderer Länder kommt, ist es unerlässlich, eine solche Politik mit den politischen Partnern abzustimmen. Außenpolitisch ist auf die USA einzuwirken, diese Politik zu unterstützen, um eine globale Strategie zur Konfliktvermeidung zu entwickeln. Nichts wäre allerdings kontraproduktiver, als eine daraus resultierende unkontrollierte Waffenindustrie, die die entstandene Lücke füllt. Daher ist es gleichzeitig wichtig, die zurzeit gängige Praxis der Lizenzvergabe von Waffenherstellern zu überprüfen und ggf. zu unterbinden. Dies stellte einen absolut unerwünschten Technologietransfer dar, der nicht Teil einer europäischen Entwicklungspolitik sein darf.
Eine verbindliche gesetzliche Regelung, die die Produktion von Waffen in Europa begrenzt, scheint daher notwendig.
III.
Momentan gehorcht die Waffenzirkulation ausschließlich wirtschaftlichen Zielen. Eine Ausrichtung nach politischen Prämissen ist angesichts der Überschwemmung in vielen Teilen des Planeten mit Kleinwaffen an der Zeit. Dazu gilt es, die legale Ausfuhr zu drosseln, in dem Export Bestimmungen dahingehend verschärft werden, dass die Kontrolle über den Verbleib der Waffen und ihre Weitergabe schon bei der Ausfuhr stärker an die Erlaubnisvergabe gebunden werden (Endverbleibsklausel).
Die Beschränkungen des legalen Waffenhandels sind unzureichend, wenn es nicht gelingt, den Waffenschmuggel wirksam zu bekämpfen, der naturgemäß eine Aufwertung durch eine Verschärfung der Ausfuhrbestimmungen erfahren wird, da Nachfrage und Preise steigen werden, wodurch der Schmuggel lukrativer wird.
Da die bestehenden Waffenarsenale derart umfangreich sind, wird die Beschränkung von Produktion und Distribution nicht eine sofortige Verknappung der Kleinwaffen und kurzfristige Befriedungseffekte nach sich ziehen. Entsprechend ist die Sicherstellung der Waffen bei Demobilisierung von Einheiten vor Ort eine weitere notwendige Praxis, um die Quellen illegaler Waffen weiter zu dezimieren. Die Erfahrungen, die man bei der Kontrolle von Waffenverschrottung z. B. in Nordirland gemacht hat, können dabei weiterhelfen.
Analog zur Verbesserung der Ausfuhrkontrolle in den Herstellerländern sind Abkommen anzustreben, die die Einfuhrbestimmung in Konfliktländern zielgerichtet und multilateral koordinieren. Eine Küstenwache unter Hoheit der zuständigen Länder mit finanzieller Unterstützung der EU wäre eine denkbare Lösung, um der Länge der Küste betroffenen Länder und der unregelmäßigen Präsenz staatlicher Präsenz in den Küstenstaaten Rechnung zu tragen. Eine solche Anstrengung erscheint nicht nur konsensfähiger als eine multinationale Intervention bei bereits ausgebrochenen Konflikten, sondern greift die Waffenproblematik bei der Wurzel und reduziert präventiv die Wahrscheinlichkeit späterer Eskalationen, die aus unkontrollierter Kleinwaffenausbreitung resultieren.
IV.
Die Ursachen von Konflikten lassen sich nicht auf das Vorhandensein von Waffen reduzieren. Die Kontrolle und Beschränkung der freien Verfügbarkeit von Waffen stellt eine Maßnahme zur Konfliktvermeidung dar, sie ist keine Konfliktlösung. Dazu bedarf es des Erkennens und der Beseitigung der sozialen Voraussetzung des Konfliktes selbst und der begleitenden Bedingung. Eine solche begleitende Bedingung ist das in einigen Konfliktländern gegenwärtig schier unerschöpfliche Rekrutierungsfeld von Soldaten in jüngster Zeit zunehmend von Kindersoldaten. Armut, soziale Desintegration, Bildungsmangel und Perspektivlosigkeit haben die Zahl derer, die bereit sind bzw. gezwungen werden, die Konflikte auszutragen, vervielfacht. Der Erfolg einer Politik, die sich der Kleinwaffenproblematik annimmt, hängt davon, in wieweit es ihr gelingt, diese Politik zu einem integralen Bestandteil einer verantwortungsbewussten, partnerschaftlichen, polydynamischen Entwicklungspolitik zu machen.
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